Gelbe Karte statt Drill Instructor
Heute ist mein zweiter Geburtstag. Ich hatte das Glück, dem Tod von der Schippe zu hüpfen. Dieser Tag ändert Blickwinkel und gewichtet Prioritäten anders. Lerne ich neue Leute kennen, falle ich nicht mit der Tür ins Haus: „Hi, ich bin Petra. Ich hätte fast ins Gras gebissen.“ Doch manchmal zücke ich die „Ich wäre fast gestorben- Karte“ bewusst und hoffe, andere zumindest zum Nachdenken zu bringen. Nicht meinetwegen. Ihretwegen.
Viele meiner Coaching-Klienten sind auf der Suche nach Sinnerfüllung in ihrem Leben. Nun bin ich kein Wahrsage-Automat vom Rummelplatz, nach dem Motto „Steck mir einen Euro ins Ohr“. Ich rolle mit den Augen, Nebel pupst aus den Nasenlöchern und mit diabolischer Stimme sage ich: „Duuuuu wirst Bundespräsidentinnn.“ Mit verklärtem Blick torkelt die Suchende dann beseelt davon. Nee, das ist bestenfalls ein Partyscherz bei ausufernden Klassentreffen.
Wenn der Frusteimer überläuft, wird es höchste Zeit
Viele durchlaufen eingespielte Routineschleifen und, klar, verbuchen dabei den ein oder anderen Erfolg in ihrer Arbeit und in ihrem Leben. Doch vermissen sie die Lachfalten in ihrem Gesicht und werden stattdessen von Merkelmundwinkeln ihres eigenen Spiegelbildes gegrüßt. Sehnlichst wünschen sie sich Hummeln im Hintern, die sie morgens vor Freude aus dem Bett springen lassen. Und suchen am Abend vergebens das befriedigende Gefühl, etwas erreicht zu haben.
Das Schlimmste: kurz vor dem Ziel aufgeben
Etwas Neues wagen heißt, sich auf Unbekanntes einlassen. Gewappnet mit dem Wissen über die eigenen Stärken, Fähigkeiten, Werte und einer Hacke voll Erfahrungen. Klingt easy? In Wahrheit steckt harte Arbeit dahinter, diese Ressourcen in sich selbst zu erkennen und daraus Mut und Kraft für den neuen Weg zu schöpfen. Das macht oft den größten Teil eines Coachings aus.
Ab und an plustern sich Ängste und alte Glaubenssätze zu autoritären Oberlehrern auf, die Zweifel säen und mit Angstparolen schulmeistern. „Wenn das nicht klappt, verlierst Du alles, was Du hast. Hochmut kommt vor dem Fall!“ Diese fiesen Pappnasen sind auch mir in der Schule meines Lebens erschienen. Oft genug haben mich ihre Einflüsterungen auf halber Strecke aufgeben lassen.
Auf die harte oder auf die nervige Tour?
Manchmal sind meine Coachees drauf und dran umzukehren, weil die inneren verstaubten Oberlehrer die Oberhand gewinnen. Der penetrante Bundeswehrschleifer würde sie dann dazu bringen, ihr Hirn auszuschalten und brüllen: „Looos, weiter gehts, über den Hindernisparcours und hundert Liegestütze, bis Du aufhörst, gequirlte Scheiße zu denken! Wenn ich mit Dir fertig bin, gehst Du freiwillig über einen ganzen Acker voll glühender Kohlen!“
Nee, ist nicht wirklich meine Coachingmethode.
Ich ziehe lieber die „ich wäre fast gestorben“ – Karte aus dem Ärmel um wachzurütteln. In seltenen Fällen ernte ich dafür genervtes Abwinken: „Ach, hör doch auf mit DER Leier!“ Dann setze ich einen drauf: „Es ist wie auf dem Spielfeld. Meine Nerv-Karte ist die gelbe. Doch stellt sich der Schiri in Gestalt von Gevatter Tod vor Dich und zückt die rote Karte, tja, dann ist Sense, mein Lieber. Dann wird der Sargdeckel über ein ziemlich durchschnittliches, farbloses Leben geschlossen, ohne Deinen Traum von Glück und Zufriedenheit auch nur ansatzweise in echtes Er-LEBEN umgesetzt zu haben.“
Heute ist der 08. April, mein zweiter Geburtstag. Genau vor vier Jahren begann der erste Tag meines restlichen Lebens. Das Erwachen aus dem künstlichen Koma war brutal. Speziell die Erkenntnis: Ich wäre fast gestorben, ohne glücklich gelebt zu haben. Seitdem gehe ich meinen Weg, um das zu ändern.
Happy Birthday toooo meee…
Eure Petra