Dreist von hinten angeschlichen

Dreist von hinten angeschlichen

5. März 2023 Aus Von Petra Carlile

Langsam nervt es mich, das isolierte Leben. Sehnlichst wünsche ich mir Leute zum Anfassen. Und etwas mehr Stimmung in der Bude. Scheinbar habe ich diesen Frust gedanklich zu laut gesagt. Und schwups, lud sich Corona von selbst ein, um mir Gesellschaft zu leisten. Es gibt Besucher, über die ich mich riesig freuen würde. Dieser hat mir die Laune verhagelt. Wenn ich eine Party gebe, bestimme lieber ich, wie sie verläuft. Durch welche Hintertür dieser ungebetene Gast eintrat und nun eine flotte Sohle aufs Parkett legt, ist mir bis heute schleierhaft.

„Scheiße“, antworte ich aufs positive Testergebnis. Corona war blitzschnell und dekorierte über Nacht die Partylocation in mir mit splitterartigen Halsschmerzen und hämmerte kreischend-rhythmische Beats in Kopf und Glieder. Glücklicherweise hatte mein umsichtiger Hausarzt den Notfallplan für mich längst parat. Paxlovid verhinderte, dass diese ungeplante Party mit Blaulicht im Krankenhaus endet.

Lebensretter mit Nebenwirkungen

Das Medikament ist kein Vitamin. Es unterbindet die weitere Ausbreitung des Virus im Körper. Schnell sorgt es dafür, dass sich Symptome lindern und in der Einnahmezeit sogar ein Test vorgaukelt, Corona hätte die Fete grußlos verlassen.

Das Sofa ist hin und weg vom bleibenden Eindruck, den ich täglich immer deutlicher ins Polster präge. Mein Acht-Stunden-Tag hat sich in Miniatur-Teilzeit verwandelt. Konzentration am Stück ist auf lächerliche zwei Stunden begrenzt. Die Hammer-Arznei mischt einen abstoßenden Beigeschmack ins Essen. Als hätte ich Großvaters Werkbank abgeschleckt, durchwirkt ein Gusto aus ölverschmierten Schrauben und verbranntem Lötzinn alles, was ich zu mir nehme.

Entscheidung leicht gemacht

Doch wer die Wahl hat zwischen schaumgebremstem Alltag in den eigenen vier Wänden und piepsend steriler Intensivstation, entscheidet sich in Millisekunden für heavy Metal(l)-Menüs auf Zwiebelmusterporzellan, kredenzt im inzwischen verstaubten Wohnzimmer mit Blick auf Makrameetopfpflanzen. Ich stimme meiner Freundin Rike zu, die erleichtert ist, dass es dieses Medikament für Menschen wie mich überhaupt gibt.

Zäh wie Kaugummi

Die Wünsche lieber Freunde zur schnellen Genesung spornen an. Mit der Arznei bin ich durch, meine Tatkraft dreht die Kurbel und flotten Schrittes geht es nach einer Woche zurück an den Schreibtisch.

Dort angekommen, japse ich erstmal nach Luft.
gdunk… GDUNK … G D U N K… hämmern die Bässe in meiner Brust. Corona fläzt sich lässig in den Besuchersessel und prostet mir mit zwei dunkelroten Teststrichen zu.

„Schon wieder da?“, motze ich genervt. „Ich war noch gar nicht weg.“, grinst es selbstbewusst zurück. Zittrig fahre ich den Computer runter und begebe mich in den vorgeformten Sofaabdruck. Die Tests der nächsten Tage bestätigen, dass mein ungebetener Gast vom Rausschmeißer mit den riesigen Oberarmen Tag für Tag übersehen wurde.

Du kannst mich mal!

Trotzig rolle ich die Yogamatte aus, um meine Schlappigkeit hinweg zu straffen und mir die Sofafedern aus dem Hintern zu biegen. Relativ leicht starte ich in der Berghaltung und begebe mich von hier aus in die Position des nach unten schauenden Hundes. Es dauert eine Weile, bis sich der Seegang im Wohnzimmer beruhigt. Der Krieger II hebt mich komplett von den Sohlen und schmeißt mich auf die Matte. Langsam richte ich mich auf und ziehe meinen linken Fuß aus dem Rosmarinkübel.

Lektion gelernt

Kleinlaut ergebe ich mich und drossle die Geschwindigkeit. Liebevoll lächelnd sagt das Leben: „Du kannst mich mal….“, und überlässt es mir, diesen Satz zu beenden.

Seit einer Stunde sitze ich auf meinem Yogakissen, starre durchs Fenster in den eingefrorenen Garten und atme ein und aus, ein und aus. Aus einer Socke duftet es nach Rosmarin.