Alternative is nich!

Alternative is nich!

18. September 2022 Aus Von Petra Carlile

Es gibt keine Alternativen zu Blutplasma-Präparaten. Kein Kräutertee, keine Globulis, keine Nahrungsergänzungsmittel. Auch nachts bei Vollmond urschreienderweise ums Lagerfeuer tanzen oder über glühende Kohlen flitzen, bringt nichts. Bisher ist noch nichts auf synthetischer Basis erfunden, was unsere Immundefekte heilt.

Ja bitte, fragt mich Fragen!

Wer nicht selbst betroffen ist, weiß über Immundefekte nicht Bescheid. Das ist okay. Bevor ich mich mit meinem auseinandersetzte, ihn akzeptierte und einsah, dass eine Therapie nötig ist, vergingen Jahre. Mein Leben musste erst auf der Kippe stehen. All die Fragen, die ich mir vor gar nicht allzu langer Zeit stellte, bekomme ich jetzt gestellt von all jenen, die ich anspreche und um Hilfe und Unterstützung bitte. Doch jene müssen erst einmal die Chance bekommen, die Hintergründe zu verstehen.

Woher ich meine Antworten weiß

Informationen zu meinen Fragen bekam ich weniger im Krankenhaus oder im onkologischen MVZ. Dort hatte schon 2019 niemand die Zeit, ausführlich zu beraten. Es war der Patientenverein dsai.e.V., der mir mit jeder Menge Infomaterial und vielen hilfreichen Telefonaten Mut machte und half, klarer zu sehen.
Trete ich heute an Presse und Medien, bitte ich um Gehör und die Möglichkeit, auf unser Problem aufmerksam zu machen. Aufklärung habe ich dabei gar nicht im Sinn. Und während es aus mir heraus sprudelt, werde ich mitten im Sprint gebremst.

Die FAQs der letzten Wochen:

„Okay, Ihr Medikament wird aus Blutkonserven hergestellt….?“
Nein, aus BlutPLASMA – das ist der gelblich klare Bestandteil des Blutes.

„Gut, heißt, aus Blutspenden wird das Plasma extrahiert….“
Nein. Die BlutPLASMA-Spende läuft etwas anders ab, nämlich…

„Naja, aber wenn alle Immundefektpatienten nur einmal wöchentlich infundieren…“
Es gibt hunderte verschiedene Arten von Immundefekten. Viele davon genetisch bedingt. So facettenreich Immundefekte sind, so unterschiedlich sind die Immunglobulingaben angepasst. Während ich z.B. nur einmal pro Woche 8gr infundieren sollte, müssen sich andere mehrfach pro Woche ihr Präparat in anderer Dosierung zuführen.

„Was ist mit den Präparaten anderer Hersteller als Alternative, wenn Ihres vom Lieferstopp betroffen ist?“
Andere Hersteller geben ihre Präparate derzeit nur an ihre Bestandspatienten heraus. Verständlich. Und leider schöpfen die anderen Hersteller nicht aus dem Vollen. Selbst viele ihrer Bestandspatienten müssen mit weniger auskommen als ärztlich verordnet.

„Ihnen geht es auch nach Verlängerung der Infusionsintervalle noch gut…“
Ja, doch habe ich keine Ahnung, wie lange. Ich lebe und arbeite relativ isoliert und bleibe zumindest von normalen Infekten meiner Mitmenschen abgeschirmt. Nicht alle von uns haben diesen Luxus. In Wahrheit riskiere auch ich, dass mit dem Strecken der Infusionsintervalle Entzündungen und Autoimmunität im Hintergrund hochkochen können. Roulette im Spielcasino ist wahrscheinlich spaßiger. Tatsächlich geht mir der A… auf Grundeis. Ich weiß von Mitpatient:innen, die bereits erkrankt sind.

„Wie schützen Sie sich vor Covid?“
Abstand halten, weiterhin Maske tragen, auch wenn wir belächelt werden. Klar, auch Impfungen waren ein Versuch. Wessen Körper aber nicht in der Lage ist, Antikörper zu bilden, gibt auch keine gescheite Impfantwort. Ein Schutz vor dem Covid-Virus durch entsprechende Antikörper wären unsere Infusionen. Wenn wir sie hätten.

„Weil Sie dadurch von den Antikörpern der Spendenden profitieren?“
Genau!

„Aber Sie hätten doch noch die Möglichkeit der intravenösen Therapie. Wo ist das Problem?“
Die intravenöse Infusion bedeutet eine viel höhere Gabe von Immunglobulinen, meist alle drei bis vier Wochen. Am Infusionstag erlangen wir Spitzenwerte an den sogenannten IgG, die rasend schnell wieder abgebaut werden. Schon vor der nächsten i.V-Infusion sind viele von uns unterversorgt. i.V. knallt außerdem so richtig rein, sorgt für heftigere allergische Reaktionen und aufgrund der Nebenwirkungen ist eine Vielzahl von uns die nächsten ein bis drei Tage lahmgelegt. I.V.-Infusionen müssen in medizinischen Einrichtungen durchgeführt werden und dauern zwischen einem halben bis einem ganzen Tag. Wir binden Klinikpersonal, das ohnehin unterbesetzt ist. Mal abgesehen davon, dass ebenso i.V. – Präparate aus Blutplasma hergestellt werden. Sie wissen ja: knapper Rohstoff…

Subkutane Heiminfusionen sorgen für einen gleichbleibend konstanten Immunglobulinspiegel im Normbereich. Die ganze Zeit lang bauen wir damit einen konstanten Schutz auf. Medizinisch viel sinnvoller. Die Nebenwirkungen sind erträglicher und wir binden kein medizinisches Personal.

„Welche anderen Alternativen haben Sie denn sonst noch?“
Sie meinen, wie bei Kopfschmerztabletten statt Aspirin Thomapyrin, oder statt Anti-Baby-Pille die Spirale, statt Kuhmilch Hafermilch, statt Wurst jetzt halt Käse, statt 4lagigem Tö-Papier das kratzige aus Recyclingpapier?

„Äh, krasser Vergleich, aber so in etwa, ja.“
Nein, es gibt keine Alternative. Schön wärs. Aber nein.

„Und was tun Sie jetzt?“
HOFFEN UND BETEN, dass Menschen in der Politik erkennen, dass ihr bisheriges Nicht-Handeln zu schweren Erkrankungen bis hin zum Tod von Menschen führen kann, dass ihre internen Abläufe bis zum ERKENNEN unserer Notsituation zu lange dauern, dass wir nicht warten können, bis Arbeitsgruppen und Untergruppen sich bilden, um Lösungsansätze lediglich zu erörtern, oder dass man aus einer Sommerpause zurückkommt, ….

„Danke, ich habe verstanden.“
Bitte. Und ich danke Ihnen. Für Ihre Fragen und Ihr geduldiges Zuhören. Auch wenn ich ab und an die Sarkasmus-Keule schwang.

Petra Carlile