Im neuen Jahr werde ich… Pustekuchen!

Im neuen Jahr werde ich… Pustekuchen!

31. Dezember 2021 Aus Von Petra Carlile

Pünktlich zu Silvester werden sie beim feierlichen Wunderkerzenknistern mit getragener Stimme ausgesprochen und das Ausrufezeichen bleigießenderweise gesetzt: die guten Vorsätze fürs neue Jahr. An die wir uns rigoros halten und dann… werden wir erfolgreichere, durchtrainierte, alles wissende, bessere, liebenswürdige Menschen.

Keinen Bock mehr drauf

Ganz ehrlich? Ich habe dazu keine Lust mehr. Wurde ich doch Jahr für Jahr enttäuscht. Und zwar von mir selbst. Vor meinem inneren Auge ließ ich nur Revue passieren, was mir in den letzten zwölf Monaten nicht gelang. So hielten sämtliche unerreichte Ziele eine stolpernde Parade ab, bis sie sich am Ende des Umzugs zusammen knüllten und kamikazemäßig in den nächsten Mülleimer stürzten. Automatisch formulierte sich das fiese Fazit: nichts erreicht im letzten Jahr, ich alte Trödeltrine! Dabei war ich doch stets so bemüht.
Wie nur gelingt es mir, meine Vorsätze umzusetzen?

Ich habs! Abrakadabra

Hermann Hesse formte diese Worte: „…jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Also schlussfolgerte ich, auch im JAHRES-Anfang. Genau da wohnt der Zauber. Im ersten Januar drin. Und im zweiten… Hm. Wenn ich an die ersten und zweiten Januare der letzten Jahre denke, habe ich nichts Magisches entdeckt.

Stets zum Neujahr mit kasteienden Vorhaben zu beginnen, ist also Quatsch. Mit dem Lauftraining startet es sich genauso gut am fünfzehnten März. Und dann, weil wir Lust drauf haben. Doch irgendwie müssen sich Ziele ja umsetzen lassen, verflixt juchhe! Andere machen es uns ständig vor.


Ha! Ich weiß! Ich beschaffe mir Aladins Wunderlampe. Dieser Lampe wohnt auch ein Zauber inne. Dann rubble ich an Silvester genau um Mitternacht an angelaufenem Messing, es funkt und blitzt und schwups-diwups, erscheint ein muskelbepackter Riesengeist ohne Füße mit Dschinghis-Khan-Bart, der mir drei Wünsche erfüllt. Genial. Ich wünsche und ein anderer setzt um. Und was wünsche ich mir jetzt?

Wünschen ist knifflig

Genug Kohle auf dem Konto. Wie viel ist genug? Wenn ich das wüsste! Das knackige Aussehen einer Zwanzigjährigen mit der Weisheit einer Hundertjährigen? Passt nicht zusammen. Von allen gemocht werden. Uäh! Hieße, mich immer wieder anzupassen. Und damit nicht mehr ich selbst zu sein. Ich will gar nicht von allen gemocht werden!
Tja, ich kann nicht mal konkrete Wünsche formulieren, die sich vom Dschinghis-Khan-Bart umsetzen lassen. Der gelangweilte Geist gähnt und verkrümelt sich tatenlos zurück in seine Wunderlampe.

Verwegene Frage

Mit dem externen Wünsche-Erfüller war die Zusammenarbeit fruchtlos. Da kommt mir eine verwegene Frage in den Sinn:

Was, wenn ich schon lange gut bin und merke es nur nicht?

Wenn ich es wüsste, wie entspannt könnte ich an Silvester ein Sektchen klönkern, ohne mich fertig zu machen vor den sich auftürmenden Zielen des kommenden Jahres?

Zur Trödeltrine werden

Ich glaube, ich schalte einen Gang runter und finde heraus, was mich ausmacht. Das geht nicht mit zweihundert Sachen im Porsche Taycan. Somit ist der Haufen Kohle ohnehin in Frage gestellt. Das geht am besten zu Fuß. Verlangsamten Schrittes. Mit dem Blick auf mich selbst und um mich herum.

Zur Vorbereitung aufs neue Jahr werde ich heute nur meine Laufschuhe einfetten und den Sekt kalt stellen. Sonst nichts. Hach, ist das ein entspannter Jahresausklang, so ganz ohne Vorsätze!

Guten Rutsch!

Eure Petra