Mammi mit 3 „M“
Ein Nachruf
Jeder hat sein eigenes Bild im Kopf von der typischen Schwiegermutter. Ich GLÜCKSPILZIN darf sagen, dass ich eine ganz andere Schwiegermutter haben durfte. Nie brauchte ich Kämpfe mit einem Drachen ausfechten. Nie musste ich meinen Mann vor die Wahl stellen: ‚Entweder sie oder ich!…‘
Unsere erste Begegnung war schon so, als würden wir uns ewig kennen.
Völlig ‚Woschd‘, woher ich kam
Mein Mann und ich lernten uns zu einer Zeit kennen, in der ich bei einer Vielzahl von Leuten noch immer Rede und Antwort stehen musste sobald bekannt war, dass ich ein Ossi bin. ‚Wieso habt ihr euch das so lange gefallen lassen?!‘, ‚…na, jetzt zeigen wir euch mal, wie arbeiten geht…‘, ‚Wie konntet ihr eure Wirtschaft nur so runter wirtschaften?!…‘ und vieles mehr. Meiner frängischen Schwiegermutter war völlig „Woschd“, woher ich kam. Ihr Sohn war glücklich, wir konnten midanand fei wergli Spoß ham. Basst!
„Des Gesieze kannst fei lassen…
…Ich bin die Lilo. Oder die Mammi. Wie’s Dir gfälld.“ Mammi hat mir gut gefallen, obwohl oder gerade weil ihre Kinder sie auch so nannten. Und unser aller Mammi wurde mit DREI „M“ geschrieben. Eins vor dem A, zwei hinter dem A. Ausgesprochen: „Mmmmmmammmmmiiiii“ unterstrich ihre mütterliche, stets hilfsbereite Art., mit der sie jedem half, dem sie helfen konnte. Den sie tröstete, an den Küchentisch setzte und ihm erst einmal ein Stückchen Kuchen und eine Tasse Kaffee vor die Nase schob. Na, und ihre Apfelküchle erst!
Humor hilft in vielen Lebenslagen
Wie so viele in ihrer Generation hat auch unsere Mammi schon in früher Kindheit viel erleben müssen, wovon wir alle verschont blieben. Dennoch oder gerade deshalb war Humor für Sie Lebenselixier. Unsere Telefonate wurden erst beendet, wenn der neueste Witz durch die Telefonleitung gegiggelt wurde. „Es gab einen Unfall in der Mascara-Fabrik. Zum Glück konnten wir ihn vertuschen.“ Kein gemeinsames Essen, bei dem es nicht zum Nachtisch ein paar lustige Weisheiten für den Nachhauseweg gab. „Veganer bekommen keine Kinder. Sie bekommen Sprösslinge.“
Auch in Schocksituaitonen ist Humor die beste Medizin
Vor ca. 13 Jahren erlitt meine Schwiegermutter einen schweren Schlaganfall mit linksseitiger Lähmung. Glücklicherweise war ihr Sprachzentrum nicht davon betroffen. Als wir sie in der Intensivstation aufsuchten, kam uns eine der Krankenschwestern entgegen. Nachdem sie erfuhr, wer mein Mann ist und zu wem er wollte, rief sie lachend: „Sie, Herr Carlile, noch eine Woche mit Ihrer Mutter auf Station und ich bin versaut fürs Leben!“ Noch völlig verwundert fanden wir uns am Fußende ihres Bettes ein. „Mammi, was erzählst Du denn hier für Witze, dass die Schwestern um ihre gute Erziehung fürchten?“, fragten wir und fanden dadurch gekonnt einen weniger betroffenen Einstieg. „Ach, bei diesem komischen Nachthemd hier fiel mir der Papstwitz ein. Kennt Ihr den ned?“ Auf unser Kopfschütteln fragte sie: „Na, was trägt der Papst wohl unter seiner Soutane?“ Wir konnten nur mit den Schultern zucken. Wer weiß denn bitte so was? Und mit ihrem vom Schlaganfall etwas schief sitzenden Grinsen meinte sie: „Zwei verlorne Eier und an Arbeitslosn…“ Somit lachten wir alle drei lauthals. Was auf einer Intensivstation eher selten vorkommt.
Für Überraschungen gut
Humor und Zuversicht haben ihr auch geholfen, sich aus dem Schlaganfall wieder aufzurappeln. In der Reha schob ich sie eines Tages mit dem Rollstuhl zu ihrem Schrank, um Wäsche zu wechseln. „Da, im obersten Fach liegt noch ein Pullover, der gewaschen werden muss“, meinte sie, stand langsam aus dem Rollstuhl auf und langte nach oben. Lachend und weinend fielen wir uns in die Arme und waren einfach nur baff. „Denkst Du, ich lass mich unterkriegen? Ja Pfeiffadeggel!“, rief sie freudig und plumpste wieder zurück in den Rollstuhl. Meiner Schwägerin durften wir davon nichts verraten, also psssst… Und so beantragte Mammi genau zum Geburtstag meiner Schwägerin einen Tag Reha-Urlaub, wir holten sie ab und fuhren zum Geburtstagskind. Wo wir die Mammi genau mittig vor die Tür postierten, während sie, nur auf ihren Stock gestützt, die Brille auf der Nase zurecht rückte und klingelte. „Gell, da schaust fei…“, meinte sie und freute sich am überraschten Gesicht und der minutenlangen Sprachlosigkeit ihrer Tochter.
Rührende Momente unserer Hochzeit
Unsere Hochzeit planten wir heimlich und luden nur zu einem Familientreffen auf die Burg Abenberg. Niemand von den Gästen ahnte, was wir am nächsten Tag vorhatten. Wir waren nur in Familie – meine Eltern, mein Bruder, die Mammi und meine künftige Schwägerin. Und, ja klar, unsere Trauzeugen, die am Abend vorher in einer anderen Gastwirtschaft untertauchten. Als die vermeintliche Schlossführung am darauffolgenden Tag in einem Standesamtzimmer mündete, war unsere Mammi noch immer ahnungslos. Doch als es ans Eingemachte ging, wir die Ringe tauschten und auch der Standesbeamte unsere Heimlichtuerei in seine Rede aufnahm, fiel ihr Groschen. Sie schnäuzte sich immer wieder hinter uns. Als alles überstanden war und wir den Raum verließen, geleitete ich sie am Arm hinaus, während sie immer noch ihr riesiges Taschentuch beschniefte. „Mammi, warum weinst Du denn? Schlimm, dass wir vorher nichts gesagt haben?“ Darauf meine jetzt verbriefte und besiegelte Schwiegermutter: „Naaaa, des is überhabts ned schlimm…“ (*schnief) „wenn des hätt nur der Pappi noch erlebn derfm…“ Daraufhin meinte ich: „Och, ich glaub, der weiß es. Wetten?“ Ihr verweintes Gesicht blickte zu mir rauf. „Ja, besdimmd hoggt der aff sei Wolgn und grinst sich ans…“ Und auch die Mammi grinste wieder ein wenig. Ich nahm sie in die Arme. „Bist eine tolle Schwiegermammi!“ Und noch einmal schluchzte es von meiner Schulter „Ja,… Du bist auch eins-A!“
Schon vor unserem gemeinsamen Essen waren die Ehewitze abrufbereit und erheiterten die Runde. „Beim Kaffeeklatsch sagt die eine Tratschtante zur anderen ‚Ich habe gehört, die Ehe des Professors soll sehr unglücklich sein.‘ Darauf die andere: ‚Das wundert mich nicht. Er ist Mathematiker, und sie unberechenbar.“
Mammis letzte Reise und ihr neues Zuhause
Seit einiger Zeit wurde der Alltag für unsere Mammi immer beschwerlicher. Professionelle Unterstützung in Form eines Pflegedienstes mochte sie nicht. „Ich bin doch nicht der Leopold!“, war stets ihre Antwort auf Angebote, die sie ablehnte. So auch dieses Mal. Der Humor packte seine Koffer und zog aus. Stattdessen hielt das Corona-Virus Einzug und Mammi erkrankte schwer. Am 12. Dezember 2020, 4 ½ Wochen später, trat sie ihre letzte Reise an.
Eine schöne Vorstellung für mich ist, dass sie noch zur Weihnachtsengelsschar dazu kommen konnte und nun einer von ihnen ist. Doch statt ins Hallelulja einzustimmen, heitert sie ihre Engels-Kolleginnen und -Kollegen mit passenden Witzen auf:
„Vor der Himmelstür steht ein Handwerker und fragt Petrus: ‚Warum musste ich so früh sterben? Ich bin doch erst 37!‘ Petrus schaut in seinem Buch nach und sagt: ‚Nach den Stunden, die Du Deinen Kunden berechnet hast, bist Du 93!“
„Treffen sich 2 Blondinen, sagt die eine: ‚Dieses Jahr ist Weihnachten an einem Freitag!‘ Sagt die andere: ‚Hoffentlich nicht an einem 13ten!“
Adee, best Schwiegermammi ever! Du wohnst immer in unseren Herzen.
Bild: Petra Carlile